Archive for Kasım 2013
Boy ölçüşme!
(Nature) A Little Owl (R) defends its feeding position from a Great spotted woodpecker (L) with both birds showing a their full colours with dramatic full wing extensions
(Photo and caption by Ian Schofield/National Geographic Photo Contest) #
2013 National Geographic Photo Contest (a sampling of the entrants work)
Tag :
Fotoğraf,
Life is... Junot Díaz
"Life is going to present to
you a series of transformations. And the point of education should be to
transform you. To teach you how to be transformed so you can ride the waves as
they come. But today, the point of education is not education. It’s
accreditation. The more accreditation you have, the more money you make. That’s
the instrumental logic of neoliberalism. And this instrumental logic comes
wrapped in an envelope of fear. And my Ivy League, my MIT students are the
same. All I feel coming off of my students is fear. That if you slip up in school,
if you get one bad grade, if you make one fucking mistake, the great train of
wealth will leave you behind. And that’s the logic of accreditation. If you’re
at Yale, you’re in the smartest 1% in the world. […] And the brightest students
in the world are learning in fear. I feel it rolling off of you in waves. But
you can’t learn when you’re afraid. You cannot be transformed when you are
afraid"
Junot Díaz, speaking at Yale
Der verwundete Sokrates - Bertolt Brecht
Der verwundete Sokrates
Sokrates, der Sohn der Hebamme[...], galt
nicht nur als der klügste aller Griechen, sondern auch als einer der
tapfersten. [...]. Jedoch war, wie man sich denken kann, seine Tapferkeit von
besonderer Art.
Sokrates hatte sich am Morgen der Schlacht so gut wie möglich auf das blutige Geschäft vorbereitet, indem er Zwiebeln kaute, was nach Ansicht der Soldaten Mut erzeugte[...].
Sokrates hatte sich am Morgen der Schlacht so gut wie möglich auf das blutige Geschäft vorbereitet, indem er Zwiebeln kaute, was nach Ansicht der Soldaten Mut erzeugte[...].
Leider verspürte er keine eigentliche Wirkung, jedenfalls keine
sofortige, und so trottete er düster in einer Abteilung von Schwertkämpfern,
die im Gänsemarsch in ihre Stellung auf irgendeinem Stoppelfeld einrückte.
Hinter und vor ihm stolperten Athener Jungens aus den Vorstädten, die ihn
darauf aufmerksam machten, dass die Schilde der Athenischen Zeughäuser für
dicke Leute wie ihn zu klein geschnitten seien. Er hatte denselben Gedanken
gehabt, nur waren es bei ihm breite Leute gewesen, die durch die lächerlich
schmalen Schilde nicht halbwegs gedeckt wurden.
Der Gedankenaustausch zwischen seinem Vorder- und seinem Hintermann über
die Profite der großen Waffenschmieden aus zu kleinen Schilden wurde
abgebrochen durch das Kommando „Lagern".
Man ließ sich auf den Stoppelboden nieder, und ein Hauptmann wies
Sokrates zurecht, weil er versucht hatte, sich auf seinen Schild zu setzen.
Mehr als der Anschnauzer. selbst beunruhigte ihn die gedämpfte Stimme, mit der
er erfolgte. Der Feind schien in der Nähe vermutet zu werden. [...]
Sokrates erinnerte sich mit großer Unlust an ein Gespräch, das er am
Abend vorher mit einem jungen vornehmen Mann geführt hatte, den er hinter den
Kulissen einmal getroffen hatte und der Offizier bei der Reiterei war.
„Ein kapitaler Plan!" hatte der junge Laffe erklärt. „Das Fußvolk
steht ganz einfach, treu und bieder aufgestellt da und fängt den Stoß des
Feindes auf. Und inzwischen geht die Reiterei in der Niederung vor und kommt
ihm in den Rücken." [...]
Der Plan hatte Sokrates gut geschienen, oder jedenfalls nicht schlecht.
Es wurden ja immer Pläne gemacht, besonders wenn man dem Feind unterlegen an
Stärke war. In Wirklichkeit wurde dann einfach gekämpft, das heißt zugehauen.
Und man ging nicht da vor, wo der Plan es vorschrieb, sondern da, wo der Feind
es zuließ.
Jetzt, im grauen Morgenlicht, kam der Plan Sokrates ganz und gar
miserabel vor. Was hieß das: das Fußvolk fängt den Stoß des Feindes auf? Im
allgemeinen war man froh, wenn man einem Stoß ausweichen konnte, und jetzt
sollte die Kunst darin bestehen, ihn aufzufangen! Es war sehr schlimm, dass der
Feldherr selber ein Reiter war. [...]
Plötzlich saßen alle wie erstarrt.
Von links aus dem Nebel kam ein dumpfes Gebrüll, [...] Der Angriff des Feindes hatte begonnen.
Die Abteilung stand auf. [...] Zehn Schritt zur Seite fiel ein Mann in
die Knie und rief lallend die Götter an. Zu spät, schien es Sokrates. [...]
Und dann tauchten, undeutlich im Dunst, vorn massive Gestalten auf: die
Feinde.
Sokrates, unter dem überwältigenden Eindruck, dass er vielleicht schon
zu lange gewartet hatte, wandte sich schwerfällig um und begann zu laufen. Der
Brustpanzer und die schweren Beinschienen hinderten ihn beträchtlich. Sie waren
viel gefährlicher als Schilde, da man sie nicht wegwerfen konnte.
Keuchend lief der Philosoph über das Stoppelfeld. [...] Hoffentlich
fingen die braven Jungen hinter ihm den Stoß für eine Zeit auf.
Plötzlich durchfuhr ihn ein höllischer Schmerz. Seine linke Sohle
brannte, dass er meinte, es überhaupt nicht aushalten zu können. Er ließ sich
stöhnend zu Boden sinken, ging aber mit einem neuen Schmerzensschrei wieder
hoch. Mit irren Augen blickte er um sich und begriff alles. Er war in ein
Dornenfeld geraten
[...] Gespannt horchte er nach dem Schlachtlärm: Er zog sich nach beiden
Seiten ziemlich weit hin, jedoch war er nach vorn mindestens hundert Schritte
entfernt. Immerhin schien er sich zu nähern, langsam, aber unverkennbar.
Sokrates konnte die Sandale nicht herunterbekommen. Der Dorn hatte die
dünne Ledersohle durchbohrt und stak tief im Fleisch. Wie konnte man den
Soldaten, die die Heimat gegen den Feind verteidigen sollten, so dünne Schuhe
liefern! Jeder Ruck an der Sandale war von einem brennenden Schmerz gefolgt.
Ermattet ließ der Arme die massigen Schultern vorsinken. Was tun?[...]
In
diesem Augenblick hörte er dumpfe Tritte. [...]. Den Göttern sei Dank, es waren
eigene! Sie blieben einige Sekunden stehen, als sie ihn sahen. „Das ist der
Schuster", hörte er sie sagen. Dann gingen sie weiter.
Aber links von ihnen kam jetzt auch Lärm. Und dort ertönten Kommandos in
einer fremden Sprache. Die Perser! Sokrates versuchte, wieder auf die Beine zu
kommen, das heißt auf das rechte Bein. Er stützte sich auf das Schwert, das nur
um wenig zu kurz war. Und dann sah er links, in der kleinen Lichtung, einen
Knäuel Kämpfender auftauchen. Er hörte Ächzen und das Aufschlagen stumpfen
Eisens auf Eisen oder Leder. [...]
Es
war unmöglich für ihn, sich zu bewegen. Alles war besser, als diesen Schmerz im
Fußballen noch ein einziges Mal zu spüren. Er wusste nicht, was machen, und plötzlich
fing er an zu brüllen.
Genau beschrieben war es so: Er hörte sich brüllen. Er hörte sich aus
seinem mächtigen Brustkasten brüllen wie eine Röhre: „Hierher, dritte Abteilung
! Gebt ihnen Saures, Kinder !"
Und gleichzeitig sah er sich, wie er das Schwert fasste und es im Kreise
um sich schwang, denn vor ihm stand, aus dem Gestrüpp aufgetaucht, ein
persischer Soldat mit einem Spieß. Der Spieß flog zur Seite und riss den Mann
mit.
Und Sokrates hörte sich zum zweiten Male brüllen und sagen: „Keinen
Fußbreit mehr zurück, Kinder! Jetzt haben wir sie, wo wir sie haben wollen, die
Hundesöhne! Krapolus, vor mit der sechsten! Nullos, nach rechts! Zu Fetzen
zerreiße ich, wer zurückgeht!"
Neben sich sah er zu seinem Erstaunen zwei von den Eigenen, die ihn
entsetzt anglotzten. „Brüllt", sagte er leise „brüllt, um des Himmels willen!"
Der eine ließ die Kinnlade fallen vor Schrecken, aber der andere fing wirklich
an zu brüllen, irgendwas. Und der Perser vor ihnen stand mühsam auf und lief
ins Gestrüpp.
Von
der Lichtung her stolperten ein Dutzend Erschöpfte. Die Perser hatten sich auf
das Gebrüll hin zur Flucht gewandt. Sie fürchteten einen Hinterhalt. [...]
Und da es für den Soldaten nicht genügt, wenn er Furcht hat, sondern er
auch Glück haben muss, hörte man plötzlich von ziemlich weit her, aber ganz
deutlich, Pferdegetrappel und wilde Schreie, und sie waren in griechischer
Sprache. Jedermann weiß, wie vernichtend die Niederlage der Perser an diesem
Tage war. Sie beendete den Krieg.
Als
Alkibiades an der Spitze der Reiterei an das Dornenfeld kam, sah er, wie eine
Rotte von Fußsoldaten einen dicken Mann auf den Schultern trug.
Sein Pferd anhaltend, erkannte er den Sokrates in ihm und die Soldaten
klärten ihn darüber auf, dass er die wankende Schlachtreihe durch seinen
unerschütterlichen Widerstand zum Stehen gebracht hatte.
Sie trugen ihn im Triumph bis zum Train. Dort wurde er, trotz seines
Protestes, auf einen der Fouragewagen gesetzt, und umgeben von
schweißübergossenen, aufgeregt schreienden Soldaten, gelangte er nach der
Hauptstadt zurück.
Man trug ihn auf den Schultern in sein kleines Haus.
Xanthippe, seine Frau, kochte ihm eine Bohnensuppe. Vor dem Herd kniend
und mit vollen Backen das Feuer anblasend, schaute sie ab und zu nach ihm hin.
Er saß noch auf dem Stuhl, in den ihn seine Kameraden gesetzt hatten.
„Was ist mit dir passiert?" fragte sie argwöhnisch. „Mit mir?"
murmelte er, „nichts."
„Was ist denn das für ein Gerede von deinen Heldentaten?" [...] Du
hast dich wieder zum Narren gemacht, wie?" sagte sie zornig. [...]
„Ich habe keineswegs einen Narren aus mir gemacht. Ich habe mich
geschlagen."
„Warst du betrunken?"
„Nein. Ich habe sie zum Stehen gebracht, als sie zurückwichen."
„Du kannst nicht einmal dich zum Stehen bringen", sagte sie
aufstehend, denn das Feuer brannte. „Gib mir das Salzfass vom Tisch."
„Ich weiß nicht", sagte er langsam und nachdenklich, „ich weiß
nicht, ob ich nicht am allerliebsten überhaupt nichts zu mir nähme. Ich habe
mir den Magen ein wenig verdorben."
„Ich sagte dir ja, besoffen bist du. Versuch einmal aufzustehen und
durchs Zimmer zu gehen, dann werden wir ja sehen."
Ihre Ungerechtigkeit erbitterte ihn. Aber er wollte unter keinen
Umständen aufstehen und ihr zeigen, dass er nicht auftreten konnte. Sie war
unheimlich klug, wenn es galt, etwas Ungünstiges über ihn herauszubekommen. Und
es war ungünstig, wenn der tiefere Grund seiner Standhaftigkeit in der Schlacht
offenbar wurde. [...]
Die Suppe war jetzt fertig. Sie roch verführerisch. Die Frau nahm den
Kessel, stellte ihn, mit ihrem Rock die Henkel anfassend, auf den Tisch und
begann ihn auszulöffeln.
Er
überlegte, ob er nicht doch noch seinen Appetit wiedergewinnen sollte. Der
Gedanke, dass er dann wohl an den Tisch musste, hielt ihn rechtzeitig ab.
Es
war ihm nicht wohl zumute. Er fühlte deutlich, dass die Sache noch nicht
vorüber war. Sicher würde es in der nächsten Zeit allerhand Unangenehmes geben.
Man entschied nicht eine Schlacht gegen die Perser und blieb ungeschoren.
Jetzt, im ersten Siegesjubel, dachte man natürlich nicht an den, der das
Verdienst hatte. Man war vollauf beschäftigt, seine eigenen Ruhmestaten
herumzuposaunen. Aber morgen oder übermorgen würde jeder sehen, dass sein
Kollege allen Ruhm für sich in Anspruch nahm, und dann würde man ihn
hervorziehen wollen. Viele konnten zu vielen damit etwas am Zeug flicken, wenn
sie den Schuster als den eigentlichen Haupthelden erklärten. Dem Alkibiades war
man sowieso nicht grün. Mit Wonne würde man ihm zurufen: Du hast die Schlacht
gewonnen, aber ein Schuster hat sie ausgekämpft.
Und der Dorn schmerzte wilder denn je.
Wenn er die Sandale nicht bald ausbekam, konnte es Blutvergiftung
werden. [...]
Sokrates schlief schlecht und unruhig und erwachte sorgenvoll. Die
Sandale hatte er herunter, aber den Dorn hatte er nicht zu fassen bekommen. Der
Fuß war stark geschwollen. [...]
Früh am Vormittag kamen schon Besucher.
Es
waren ein paar junge Leute, Söhne wohlhabender Eltern, sein gewöhnlicher
Umgang. [...]
Heute berichteten sie ihm sogleich, dass Athen voll von seinem Ruhm sei.
Es sei ein historisches Datum für die Philosophie [...]. Sokrates habe
bewiesen, dass der große Betrachtende auch der große Handelnde sein könne.
[...]
„Es ist alles Unsinn, was ihr da redet", sagte er mit einem
plötzlichen Entschluss. „Ich habe gar nichts gemacht." Lächelnd sahen sie
sich an. Dann sagte einer: „Genau, was wir auch sagten. Wir wussten, dass du es
so auffassen würdest [...] Zehn Jahre
hat Sokrates die größten Taten des Geistes verrichtet, und kein Mensch hat sich
auch nur nach ihm umgeblickt. Jetzt hat er eine Schlacht gewonnen, und ganz
Athen redet von ihm. Seht ihr nicht ein, sagten wir, wie beschämend das
ist?" Sokrates stöhnte.
„Aber ich habe sie ja gar nicht gewonnen. Ich habe mich verteidigt, weil
ich angegriffen wurde. Mich interessierte diese Schlacht nicht. Ich bin weder
ein Waffenhändler, noch habe ich Weinberge in der Umgebung. Ich wüsste nicht,
für was ich Schlachten schlagen sollte[...]." [...]
„Nicht wahr", riefen sie, „das haben wir auch gesagt. Er hat nichts
getan, als sich verteidigt. Das ist seine Art, Schlachten zu gewinnen. Erlaube,
dass wir in die Gymnasien zurückeilen. Wir haben ein Gespräch über dieses Thema
nur unterbrochen, um dir guten Tag zu sagen."
Und sie gingen, wollüstig im Gespräch vertieft. Sokrates lag schweigend,
auf die Ellbogen gestützt, und sah nach der rußgeschwärzten Decke. Er hatte
recht gehabt mit seinen finsteren Ahnungen. [...]
Die Tür verdunkelte sich, und herein kamen vier Magistratspersonen. Sie
blieben mitten in der Stube stehen, und einer sagte in geschäftsmäßigem, aber
überaus höflichem Ton, er habe den Auftrag, Sokrates in den Areopag zu bringen.
Der Feldherr Alkibiades selber habe den Antrag gestellt, es solle ihm für seine
kriegerischen Leistungen eine Ehrung bereitet werden.
Ein Gemurmel von der Gasse her zeigte an, dass sich die Nachbarn vor dem
Haus versammelten.
Sokrates fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er wusste, dass er jetzt
aufstehen und, wenn er schon mitzugehen ablehnte, doch wenigstens stehend etwas
Höfliches sagen und die Leute zur Tür geleiten musste. Und er wusste, dass er
nicht weiter kommen würde als höchstens zwei Schritte weit. Dann würden sie
nach seinem Fuß schauen und Bescheid wissen. Und das große Gelächter würde
seinen Anfang nehmen, hier und jetzt.
Er
ließ sich also, anstatt aufzustehen, auf sein hartes Polster zurücksinken und
sagte missmutig: „Ich brauche keine Ehrung. Sagt dem Areopag, dass ich mich mit
einigen Freunden für elf Uhr verabredet habe, um eine philosophische Frage, die
uns interessiert, durchzusprechen, und also zu meinem Bedauern nicht kommen
kann. Ich eigne mich durchaus nicht für öffentliche Veranstaltungen und bin
viel zu müde."
Das letztere fügte er hinzu, weil es ihn ärgerte, dass er die
Philosophie hereingezogen hatte, und das erstere sagte er, weil er sie mit
Grobheit am leichtesten loszuwerden hoffte. Die Magistratspersonen verstanden
denn auch diese Sprache. Sie drehten sich auf den Hacken um und gingen weg, dem
Volk, das draußen stand, auf die Füße tretend.[...]
Dann kam sein Freund Antisthenes.
Er
zog seinen dicken Überrock nicht aus, blieb am Fußende des Lagers stehen,
hustete etwas krampfhaft und kratzte sich seinen struppigen Bart am Hals, auf
Sokrates schauend.
„Liegst du noch? Ich dachte, ich treffe nur Xanthippe. Ich bin eigens
aufgestanden, um mich nach dir zu erkundigen. Ich war stark erkältet und konnte
darum gestern nicht dabei sein."
„Setz dich", sagte Sokrates einsilbig.
Antisthenes holte sich einen Stuhl aus der Ecke und setzte sich zu
seinem Freund. [...]
Sollte er dem Antisthenes reinen Wein einschenken ? [...]
Antisthenes sah [...] den Freund an und berichtete: „Der Gorgias geht
herum und erzählt allen Leuten, du müsstest davongelaufen sein und in der
Verwirrung die falsche Richtung, nämlich nach vorn, eingeschlagen haben. Ein
paar von den besseren jungen Leuten wollen ihn schon deswegen verprügeln."
Sokrates sah ihn unangenehm überrascht an.
„Unsinn! ", sagte er verärgert. Es war
ihm plötzlich klar, was seine Gegner gegen ihn in der Hand hatten, wenn er
Farbe bekannte.
Er
hatte nachts, gegen Morgen zu, gedacht, er könne vielleicht die ganze Sache als
ein Experiment drehen und sagen, er habe sehen wollen, wie groß die
Leichtgläubigkeit aller sei. Zwanzig Jahre habe ich auf allen Gassen Pazifismus
gelehrt, und ein Gerücht genügte, dass mich meine eigenen Schüler für einen
Berserker hielten usw. usw. Aber da hätte die Schlacht nicht gewonnen werden
dürfen. Offenkundig war jetzt eine schlechte Zeit für Pazifismus. Nach einer
Niederlage waren sogar die Oberen eine Zeitlang Pazifisten, nach einem Sieg
sogar die Unteren Kriegsanhänger, wenigstens eine Zeitlang, bis sie merkten, dass
für sie Sieg und Niederlage nicht so verschieden waren. [...]
Von der Gasse kam Pferdegetrappel. Reiter hielten vor dem Haus, und
herein trat, mit seinem beschwingten Schritt, Alkibiades. [...]
Sokrates seufzte. Er stand sich sehr gut mit dem jungen Alkibiades. [...] Es war freundlich von ihm, ihn aufzusuchen.
Es war sicher nicht nur der Wunsch, den Areopag vor den Kopf zu stoßen. Und
auch dieser letztere Wunsch war ehrenvoll und musste unterstützt werden.
Bedächtig sagte er endlich, sich weiterschaukelnd in seiner Hängematte: „Eile
heißt der Wind, der das Baugerüst umwirft. Setz dich." [...]
Ohne aufzuhören, sich zu wiegen, beugte er sich nach vorn, so dass er
aufrecht saß, rieb sich mit der rechten Hand den nackten linken Arm und sagte
langsam: „Die Sache ist so. Mein Fuß......" [...]
Die Hängematte kam zum Stillstand.
„Höre, Alkibiades", sagte er energisch und mit ganz frischer
Stimme, „es kann in diesem Falle nicht von Tapferkeit geredet werden. Ich bin
sofort, als die Schlacht begann[...], davongelaufen, und zwar in der richtigen
Richtung, nach hinten. Aber da war ein Distelfeld. Ich habe mir einen Dorn in
den Fuß getreten und konnte nicht weiter. Ich habe dann wie ein Wilder um mich
gehauen und hätte beinahe einige von den Eigenen getroffen. In der Verzweiflung
schrie ich irgendwas von anderen Abteilungen, damit die Perser glauben sollten,
da seien welche, was Unsinn war, denn sie verstehen natürlich nicht griechisch.
Andrerseits scheinen sie aber ebenfalls ziemlich nervös gewesen zu sein[...]
Sie stockten einen Augenblick, und dann kam schon unsere Reiterei. Das ist
alles." [...]
Alkibiades legte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete mit
zusammengekniffenen Augen den Philosophen auf dem Lager. Weder Sokrates noch
Antisthenes sahen nach ihm hin. [...]
„Schade, dass ich meinen eigenen Kranz nicht mit hergebracht habe. Ich
habe ihn meinem Mann zum Halten gegeben. Sonst würde ich ihn jetzt dir
dalassen. Du kannst mir glauben, dass ich dich für tapfer genug halte. Ich
kenne niemand, der unter diesen Umständen erzählt hätte, was du erzählt
hast."
Und er ging rasch hinaus.
Als dann Xanthippe den Fuß badete und den Dorn auszog, sagte sie
übellaunig: „Es hätte eine Blutvergiftung werden können."
„Mindestens", sagte der Philosoph.